Mit einem neuen Schnelltest für zu Hause erkennen Frauen eine Endometriose anhand ihres Menstruationsbluts
Ein Frau geht zu ihrer Gynäkologin, weil sie chronische Unterleibsschmerzen hat. Sie beschreibt ihre Symptome, kann aber das Ausmaß ihrer Beschwerden nicht genau erklären, weil jeder Mensch ein anderes Schmerzempfinden hat. „Wie weiß ich als Ärztin, ob die Schmerzen einer Patientin noch im Normbereich liegen?“, fragt Angelika Lackner, eine Wissenschaftlerin in Österreich. „Wie weiß ich als Patientin, ob ich nicht einfach normale Regelschmerzen habe?“ Hat die Patientin nur Menstruationsbeschwerden oder leidet sie an Endometriose, bei der die Gebärmutterschleimhaut auch außerhalb der Gebärmutter wächst? Jede zehnte Frau ist davon betroffen.
Endometriose kann jederzeit in den fruchtbaren Jahren einer Frau auftreten. Einige Patientinnen haben schwere Symptome, andere überhaupt keine.
Bisher lässt sich die Krankheit nur durch einen minimalinvasiven operativen Eingriff feststellen. Deswegen vergehen in der Regel zwischen sechs und zwölf Jahre ab Beginn der Symptome, bis sie richtig erkannt wird. Eine frühe Diagnose ist jedoch wichtig, um das Fortschreiten der Krankheit zu stoppen: Endometriose kann zu Organschäden, Narbenbildung im Bauchraum und Unfruchtbarkeit führen. Bis zu 50 Prozent der Frauen mit Endometriose haben Probleme, schwanger zu werden.
Nicht diagnostizierte Schmerzen können das Privatleben belasten, auch weil die Endometriose manchmal Beschwerden beim Sex verursacht. „Das ist ein Problem für die Partnerschaft, die sozialen Beziehungen, die Familie“, so Angelika Lackner. „Solange du keine Diagnose hast, denken alle, du stellst dich nur an.“
Weil die Endometriose noch wenig erforscht ist und bis zur Diagnose oft zu viel Zeit vergeht, gründete Lackner das Start-up Diamens. Der Name ist eine Kombination aus „Diagnose” und „Menstruation”.
Das Problem wissenschaftlich lösen
Als Doktorandin an der Johannes-Kepler-Universität Linz weiß Lackner, dass Gesundheitsprobleme bei Frauen oft schwer zu deuten sind, weil auch ihr Zyklus eine Rolle spielt. Außerdem waren in der Medizin bis vor Kurzem hauptsächlich Männer der Maßstab.
Sie und drei weitere Doktorandinnen an der Universität Linz waren enttäuscht, wie wenig Aufmerksamkeit das Thema in der medizinischen Fachwelt fand. Sie suchten deshalb nach einem Weg, um die Diagnose zu beschleunigen.
In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Peter Oppelt, dem Vorstand der Klinik für Gynäkologie am Uniklinikum und Botschafter der World Endometriosis Society, untersuchten die vier Wissenschaftlerinnen die Daten von 1 000 Patientinnen auf Gemeinsamkeiten. „Unser Ziel ist eine einfache und bezahlbare Endometriose-Diagnose für alle Frauen“, sagt Prof. Dr. Oppelt.
Die Detektivarbeit hat sich gelohnt. Die Gruppe hat vielversprechende Biomarker gefunden. Diese verwendet sie, um einen Heimtest zur Diagnose von Endometriose anhand von Menstruationsblut zu entwickeln.
Diamens ist bisher nicht einmal als Unternehmen eingetragen. Es soll Anfang nächsten Jahres gegründet werden.
Dennoch wurde Diamens schon als Finalist für den Wettbewerb der EIB für Soziale Innovation 2023 ausgewählt. Mit dem Preis werden Unternehmerinnen und Unternehmer für ihr soziales oder ökologisches Engagement auszeichnet.
Ein schneller, günstiger und notwendiger Test
Die vier Wissenschaftlerinnen sind zuversichtlich, was die Ergebnisse ihrer Forschung angeht. Sie werden sie im kommenden Jahr in einer klinischen Studie überprüfen. Wenn sie die rechtlichen Hürden genommen haben, könnte ihr Testkit 2025 oder 2026 auf den Markt kommen, hoffen sie.
Zunächst wollen sie den Test an Firmen verkaufen, so Lackner, weil das einfacher ist. Aber er soll auch in die Kliniken kommen, damit Ärztinnen und Ärzte ihn kennenlernen und eine Alternative zur OP haben.
Ihr Herzenswunsch ist es aber, die Kits zu einem angemessenen Preis von unter 100 Euro den Frauen direkt anbieten zu können. Das Team arbeitet noch an den Details. Im Idealfall könnte eine Frau den Test zu Hause durchführen und ihn per Post an die Firma schicken, die dann mit einer Diagnose und Ratschlägen für die nächsten Schritte antwortet.
Lackner glaubt, dass die identifizierten Marker auch Ansatzpunkte für neue Medikamente sein könnten. Bisher ist Endometriose nicht heilbar, es gibt nur Behandlungen, die von Schmerzmitteln über Hormone bis hin zu Operationen reichen. Aber wie kommt eine Frau an eine vernünftige Therapie, wenn sie nicht weiß, was mit ihr los ist?
Wenn das vierköpfige Team Vorträge über Diamens und Endometriose hält, ist Lackner immer noch von den Reaktionen überrascht: „Es gibt so viele Frauen, die keine Ahnung haben, aber zu uns kommen und sagen: ,Hey, ich glaube, ich könnte das haben.ʻ Das ist echt schockierend.“ Erst einmal muss die Endometriose in das Bewusstsein der Frauen gerückt werden – oder, wie sie es ausdrückt: „Wir müssen ihnen zeigen, dass sie nicht verrückt sind. Sie haben Schmerzen, und diese Schmerzen brauchen eine Diagnose.”