Ein Fonds hilft Millionen Menschen in Afrika und Asien aus der Armut: mit medizinischer Versorgung und Impulsen für die heimische Wirtschaft
Andy Kuper war 1997 als Entwicklungshelfer in der Wüste Thar in Indien unterwegs. Dort versuchte er, Bäuerinnen und Bauern zur Tröpfchenbewässerung zu bewegen. Damit hätten sie ihre Erträge verdreifachen und der Armut entkommen können. Doch alle Argumente fruchteten nicht – die Menschen hielten stur an ihren alten Methoden fest.
„Ich habe damals an der Vernunft der Leute gezweifelt. Erst später habe ich gemerkt, dass ich der Unvernünftige war“, erinnert sich Kuper. „Die Leute wollten einfach keine Experimente. Sie wollten nicht riskieren, ihre Ernte zu verlieren. Das ist ja auch verständlich, denn dann wäre ihre Familie verhungert.“
In den folgenden zehn Jahren suchte Kuper nach einem Ausweg für die Bäuerinnen und Bauern, einem Sicherheitsnetz, um ihnen die Angst vor dem Risiko zu nehmen. Denn nur so hatten sie eine Chance auf ein besseres finanzielles Auskommen.
2007 gründete Kuper LeapFrog Investments. Mit dem Fonds wollte er den Kapitalmarkt für sogenannte sinnorientierte Unternehmen öffnen, die die wachsende Gruppe der ärmeren Konsumenten in den Schwellenländern im Blick haben.
„Der Fonds hat von Anfang an auf beides geachtet: Sinn und Gewinn“, erklärt Kuper. „Jede einkommensschwache Person, die etwas von einem LeapFrog-Unternehmen kauft, hat selbst etwas davon und bringt gleichzeitig Umsatz.“
Die LeapFrog-Unternehmen erreichen über 492 Millionen Menschen – 320 Millionen davon leben von weniger als 11,20 US-Dollar pro Tag. Über mehrere Fonds hat LeapFrog mehr als 2,5 Milliarden US-Dollar eingesammelt. Diese Fonds investieren in Unternehmen, die Basisleistungen für unterversorgte Bevölkerungsgruppen anbieten. Die Europäische Investitionsbank war von Anfang an dabei und hat bisher 125 Millionen US-Dollar in LeapFrog investiert.
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Sprungbretter und Sicherheitsnetze
Die Hälfte der Weltbevölkerung lebt von weniger als 6,85 US-Dollar pro Tag. Diese Menschen leiden unverhältnismäßig stark unter jeder Krise.
Ärmere Menschen brauchen verschiedenste Finanzangebote, um sich abzusichern und ihre Lage zu verbessern: Mikroversicherungen, Mikropensionen, Sparprodukte, Kredite, Überweisungs- und Zahlungslösungen. „Diese Milliarden Menschen sind keine passiven Hilfsempfänger“, betont Kuper. „Im Gegenteil, sie wollen arbeiten, um ihr Leben und das ihrer Gemeinschaften zu verbessern. Sie brauchen nur die nötigen Produkte und Dienstleistungen dafür.“
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Gesundheit bringt Wohlstand
Ärmere Menschen brauchen außerdem Zugang zu medizinischer Versorgung, also hat LeapFrog auch hier investiert. Eine Krankheit kann schnell zur finanziellen Katastrophe werden und Menschen in Armut stürzen.
In Kenia ist die medizinische Versorgung traditionell unzuverlässig. Die Folgen: vermeidbare Krankheiten und eine hohe Sterblichkeit. Hinzu kommt, dass die Hälfte der Menschen im Land ihre erste Begegnung mit dem Gesundheitssystem nicht in Krankenhäusern macht, die oft weit entfernt, überfüllt und unterbesetzt sind, sondern in Apotheken.
Deshalb war das erste Investment von LeapFrog im Gesundheitswesen Goodlife Pharmacy. Damals bestand die kleine kenianische Apothekenkette aus 19 Filialen. Nur sechs Jahre nach dem Einstieg von LeapFrog waren es schon mehr als 120 Gesundheitszentren in Kenia und Uganda mit einem breiten Angebot an Medikamenten, Telemedizin, Pathologie und Ernährungsberatung. Heute ist Goodlife die größte Apothekenkette und der größte Gesundheitsdienstleister für Privathaushalte in Ostafrika.
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Gewinn mit Sinn
Im ersten Fonds von LeapFrog war die Europäische Investitionsbank 2007 der Ankerinvestor. Von den 44 Millionen US-Dollar der ersten Investorenrunde hatte sie im Rahmen des Cotonou-Mandats 20 Millionen US-Dollar zugesagt. Auch bei allen nachfolgenden Fonds war die Bank an Bord, zuletzt im Jahr 2022.
„Was diese Fonds für mich so besonders macht, ist ihre schiere Größe“, erklärt Nur Özdemir von der Europäischen Investitionsbank. „Wir waren von Anfang an dabei, und alle paar Jahre schlagen sie uns eine neue Anlageidee vor, die dann auch erfolgreich ist.“
Mit den Finanzierungen der Bank hat LeapFrog das Leben von Hunderten Millionen Menschen verändert. Doch damit nicht genug: „Wir wollen mit den LeapFrog-Unternehmen bis 2030 die Marke von einer Milliarde einkommensschwacher Kunden erreichen. Dafür unterstützen wir weiter innovative Firmen und Geschäftsmodelle, die die traditionellen Branchen und Märkte aufmischen“, sagt Kuper.
Frauen und Klimaschutz
Ursprünglich wollte LeapFrog 15 Millionen Frauen und Kinder mit Basisleistungen versorgen. „Heute erreichen wir über 240 Millionen Frauen und Mädchen in mehr als 30 Märkten. Damit stärken wir ihre gesellschaftliche Teilhabe und ihre Rolle ganz erheblich“, so Kuper.
Ein besserer Zugang zu Basisdiensten für Frauen wirkt sich auf die ganze Familie aus. Gleichzeitig ist der Frauenanteil bei traditionellen Finanz- und Gesundheitsleistungen nach wie vor unverhältnismäßig klein.
In Märkten wie Indien leisten Frauen, die Kleinst-, kleine oder mittlere Unternehmen betreiben, einen erheblichen Beitrag zur Wirtschaft. Doch Kredite für sie sind Mangelware. Nur weniger als zehn Prozent der frauengeführten Unternehmen gelangen an Kapital.
Deshalb investiert LeapFrog in Firmen, die stark auf den Genderaspekt achten. Eine davon ist Northern Arc, ein Kreditfinanzierer aus Indien. 91 Prozent seiner Kreditnehmer sind Frauen, und 88 Prozent der Kundschaft gibt an, dass sich ihre Lebensqualität nach der Kreditaufnahme verbessert hat.
Weil seine Zielländer dringend Klimalösungen brauchen, legte LeapFrog einen Klimafonds auf. Das Ziel: in innovative Unternehmen investieren, die grüne Lösungen für die Konsumenten in den Schwellenländern schaffen. Mit der Investition in das führende indische Autoportal CarDekho etwa fördert der Fonds die Verbreitung von elektrischen Motorrädern und Scootern und treibt damit die E-Mobilität im Land weiter voran. Vier Millionen Suchanfragen nach Elektrofahrzeugen wickelt die Plattform jeden Monat ab. Ohne Unternehmen wie CarDekho hat die Welt kaum eine Chance, die Erderwärmung auf zwei, geschweige denn 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.
In Bereichen wie Energieeffizienz oder in der Landwirtschaft gibt es zunehmend einen „grünen Rabatt“, d. h. die Produkte und Leistungen sind günstiger und sauberer als bestehende, CO2 ausstoßende Alternativen. Dadurch können Unternehmen, die diese Produkte und Dienstleistungen anbieten, schneller wachsen.
„Das Verbraucherverhalten in den Schwellenmärkten kann schnell umschwenken: von teuren, stark umweltschädlichen Geschäftsmodellen hin zu neuen, CO2-armen und klimaresilienten Technologien“, erklärt Kuper. „Man sieht es in der Telekommunikation und im Banking: Hunderte Millionen einkommensschwacher Kunden haben traditionelle Entwicklungsphasen dort in den letzten Jahren einfach übersprungen.“