Deutsches Unternehmen bindet Mikroplastik aus Kosmetika und Autoreifen zu weißen Klumpen, die sich leicht aus dem Wasser abschöpfen lassen
Katrin Schuhen ist Chemikerin, Erfinderin und Unternehmerin. Sie ist unkonventionell und geht gern ihren eigenen Weg.
Nach einer Zeit als Juniorprofessorin an der Universität Koblenz-Landau meldete sich ihr Erfindergeist. Aus Schuhens Idee, wie sich Mikroplastik aus Wasser entfernen lässt, wurde schließlich eine völlig neue Lösung für ein globales Problem.
Sie wollte sich nicht aber mit einer normalen Firma in das „Haifischbecken“ Wassersektor stürzen. Deshalb ist ihr Unternehmen heute so einzigartig wie ihre Erfindung.
Das Start-up arbeitet nicht gewinnorientiert. „Jeder Euro Gewinn fließt direkt wieder in unsere Forschung“, sagt sie. „Das ist wie an der Universität, nur ohne die ganze Bürokratie drumherum.“
Die Idee war schon eine ganze Weile in Katrin Schuhens Kopf gereift, als sie 2020 Wasser 3.0 gründete, ein gemeinnütziges Greentech-Unternehmen mit eigener Forschung und Entwicklung. Das nachhaltige Geschäftskonzept dreht sich ganz um die Frage: Wie können wir Wasser sauber halten? Und es entspricht in jeder Hinsicht Schuhens Philosophie, ihren eigenen Weg zu gehen.
Mikroplastik im Wasser ist ein immer größeres Problem. Die winzigen Partikel stammen aus Kosmetika, Autoreifen und anderen Produkten oder gelangen ins Wasser, wenn wir synthetische Kleidung waschen. Außerdem fallen sie bei vielen Produktionsverfahren an. Das meiste Mikroplastik landet irgendwann im Meer. Es findet sich aber selbst im Schnee auf dem Mount Everest und bei uns im Körper.
Bislang bemüht man sich, die Schadstoffe durch Filtration aus dem Wasser zu entfernen, aber das ist aufwendig und teuer. Katrin Schuhen hat einen anderen Weg gefunden.
Analysieren, entfernen, weiterverwenden
Die von Schuhen entwickelte Substanz Wasser 3.0 PE-X bindet Mikroplastikpartikel im Wasser zu Klumpen. Das Verfahren ist simpel: Man füllt Wasser in einen Tank, erzeugt einen Strudel – wie bei einem Abfluss –, fügt Wasser 3.0 PE-X hinzu und wartet, bis popcornförmige Klumpen an die Oberfläche aufsteigen und sich dort abschöpfen lassen. PE-X ist ein unbedenkliches Hybridkieselgel, das genau an die jeweiligen Schmutzpartikel angepasst werden kann.
Wasser 3.0 geht in drei Schritten vor: analysieren, entfernen, weiterverwenden. Im ersten Schritt geht es darum, Art und Ausmaß der Verschmutzung zu ermitteln. Im zweiten wird das Mikroplastik entfernt. Im dritten Schritt wird das abgeschöpfte Material wieder in den Wirtschaftskreislauf gebracht, beispielsweise als Bestandteil von Straßenbelägen.
In einer kommunalen Kläranlage in Landau-Mörlheim prüft Wasser 3.0 den dauerhaften Einsatz in einer Langzeitstudie. Ein papierverarbeitender Betrieb hat das Verfahren als erster Kunde bereits fest eingeführt. Hinzu kommen Pilotprojekte an weiteren Standorten. Katrin Schuhen sieht das größte Potenzial von Wasser 3.0 darin, die Verschmutzung mit Mikroplastik an der Quelle zu stoppen. Dazu arbeitet ihr Team mit der Industrie zusammen. Denn wenn sie das Brauchwasser direkt vor Ort reinigt, gelangt das Mikroplastik erst gar nicht in Flüsse und Seen.
„Wir suchen nach Vorreitern, die mit uns die Transformation anschieben wollen“, so Schuhen. „Einige Branchen sind bereits dabei – mit ihnen sammeln wir in Langzeitstudien all unsere Daten.“
Viele Firmen bewegen sich und wollen ihrer Verantwortung gerecht werden. Manche erwarten zudem eine strengere Regulierung. Aber Schuhen sieht auch geschäftliche Vorteile für ihre Kunden:
„Verantwortung ist ein Aspekt, aber es kann sich auch wirtschaftlich auszahlen“, sagt sie. „Wenn sich Wasser oder andere Stoffe recyceln und wiederverwenden lassen, kann die Industrie sofort Kosten sparen. Und dann wird die Technologie für sie interessant.
Wasser 3.0 gehörte 2021 zu den Finalisten des Wettbewerbs für Soziale Innovation. Mit diesem Wettbewerb fördert die Europäische Investitionsbank Start-ups, die Lösungen für Umwelt- und Sozialprobleme anbieten. Das Unternehmen hat daneben noch viele weitere Preise gewonnen, zum Beispiel den Aquatech Innovation Award und den Deutschen Nachhaltigkeitspreis in der Kategorie „Next Economy Award“.
Wissen weitergeben und aufklären
Wasser 3.0 steckt weiter Zeit und Geld in die Forschung und Entwicklung, engagiert sich aber auch für Bildung. Zum Beispiel mit Team WASoMI (WASser ohne MIkroplastik), ein Projekt, mit dem Wasser 3.0 in Schulen Wissen vermittelt und über die Verschmutzung unserer Umwelt durch Plastik aufklärt.
„Im Moment bauen wir gerade einen virtuellen Erlebnisraum zu Polymeren, Plastik und Mikroplastik auf“, erzählt Silke Haubensak, die bei Wasser 3.0 für Kommunikation und Organisation zuständig ist. „Das Programm richtet sich zunächst an Schülerinnen und Schüler der Klassen 7 bis 9, aber später wollen wir es gern noch weiter aufziehen.
Team WASoMI wird mit 70 000 Euro von der Deutschen Postcode Lotterie unterstützt, und Wasser 3.0 bemüht sich um weitere Sponsoren und Fördergelder.
Zwei Dinge stehen für Schuhen über allem: eine Organisation, die ihrer Vorstellung von Unabhängigkeit entspricht, und das Ziel der Nachhaltigkeit.
„Letztlich möchte jeder ein Gamechanger werden“, bekennt sie. „Aber wie schafft man das? Wir werden es erfahren, wenn wir uns auf den Weg machen. So gehen wir auch die Probleme im Wasser und die Probleme im System an. Nur so finden wir einen Ausweg.“