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Stahl wird grün

Die Stahlproduktion ist unverzichtbar, aber extrem CO2-lastig. Nun nimmt ein österreichisches Unternehmen viel Geld in die Hand, um sie mit Hightech-Forschung klimafreundlich zu machen

Von 30 Oktober 2024
 

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Die Stahlindustrie ist ein Klimakiller. Denn bei der Verarbeitung von Eisenerz zu Stahl entsteht jede Menge CO2. Zumindest nach den herkömmlichen Verfahren.

„Stahl wird seit Jahrhunderten produziert, und die Prozesse haben sich in dieser Zeit kontinuierlich verbessert. Jetzt geht es darum, sie klimafreundlicher zu machen“, erklärt Johan Hansson, Kreditreferent bei der Europäischen Investitionsbank (EIB).

Die Stahlindustrie verursacht etwa sieben Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Als Europas größter Geldgeber für Klimaprojekte kann die EIB daher in der Stahlbranche nur Investitionen unterstützen, die nachhaltig und innovativ sind.

Ein Projekt, das diese Kriterien erfüllt, ist von voestalpine. Im Juni 2024 bekam der österreichische Stahlkonzern von der EIB einen Kredit über 300 Millionen Euro für seine Forschung zu innovativen Stahlprodukten und nachhaltiger Herstellung. Als Bank der Europäischen Union unterstützen wir die Stahlforschung, weil sie der Branche hilft, nachhaltig zu werden.

Voestalpine gehört zu den größten Stahlherstellern in Europa. Mit dem Geld der EIB will der Konzern vier Jahre lang Prozesse erforschen und entwickeln, die weniger Energie und Rohstoffe verbrauchen und die Lebensdauer von Stahlprodukten verlängern.



Bei Stahl am Ball bleiben

Mehr Forschung ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern für voestalpine auch entscheidend, um auf dem weltweiten Stahlmarkt konkurrenzfähig zu bleiben, erklärt Gerald Mayer, Finanzvorstand des Unternehmens.

„Die Wirtschaftslage ist äußerst schwierig, vor allem für europäische Stahlunternehmen. Aufgrund der gestiegenen Energie- und Personalkosten und des gleichzeitig massiv zunehmenden Preisdrucks durch außereuropäische Mitbewerber – vorrangig aus China – ist es schwierig, international konkurrenzfähig zu bleiben. Glücklicherweise sind unsere innovativen Stahlprodukte in den anspruchsvollsten Branchen sehr gefragt“, so Mayer.

Gerald Mayer vom österreichischen Stahlkonzern voestalpine: „Nur durch Innovation kann die Branche mit Ländern wie China weiter mithalten.“
Voestalpine

Rund 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von voestalpine forschen an mehr als 70 Standorten weltweit. Der Konzern gehört zu den größten Investoren für Stahlinnovationen in Europa. Sein neuestes Projekt für nachhaltigen Stahl greentec soll die Emissionen ab 2027 um bis zu 30 Prozent gegenüber 2019 senken. Dazu will das Unternehmen einen Teil seiner kohlenstoffintensiven Hochöfen durch Lichtbogenöfen ersetzen.

Lichtbogenöfen brauchen allerdings viel Strom. Der soll aus erneuerbaren Quellen wie Windkraftanlagen oder Solarparks kommen. voestalpine hat mehrere Verträge mit Ökostrom-Anbietern unterzeichnet und will bis 2050 klimaneutral werden. Auch das Unternehmen selbst baut an seinen Standorten ein Netz aus Solarmodulen auf.

EIB-Kredite für Stahl

Hin und wieder unterstützt die EIB in der Stahlindustrie auch Projekte, bei denen es nicht um Forschung geht. Anfang 2024 unterzeichnete sie einen Vertrag über 314 Millionen Euro für ein grünes Stahlwerk im schwedischen Boden. Dort wird künftig mit Wasserstoff aus Eisenerz Stahl hergestellt. Dabei entsteht 95 Prozent weniger CO2 als bisher. 2020 vergab die Bank einen Kredit über 75 Millionen Euro an ArcelorMittal in Belgien. Mit dem Geld entwickelt der Konzern ein Verfahren, das kohlenstoffhaltige Abgase aus dem Hochofen auffängt und in Ethanol umwandelt.



Zwei Prozessrouten für die Stahlproduktion

1) Primärstahlerzeugung: Stahl wird aus Roheisen hergestellt, das in einem Hochofen durch die chemische Reduktion von Eisenerz gewonnen wird. Dabei kommen Kohle und heiße Luft zum Einsatz.

2) Sekundärstahlerzeugung oder Stahlrecycling: In einem Lichtbogenofen bringen elektrische Lichtbögen Metallschrott zum Schmelzen. Nach dieser Methode wird viel Stahl recycelt und etwa ein Viertel des neuen Stahls hergestellt. Stahlschrott gehört zu den am meisten recycelten Materialien. Aber selbst damit lässt sich die Nachfrage nicht decken.

Besonders betroffenen Regionen beim Umstieg helfen

Dank Innovationen und Investitionen ist die EU nach China der zweitgrößte Stahlproduzent der Welt. Europa stellt jährlich fast 180 Millionen Tonnen Stahl her. Das sind elf Prozent der weltweiten Produktion. China erzeugt rund eine Milliarde Tonnen.

 „Die Innovationen in der Stahlbranche haben in den letzten 20 Jahren hauptsächlich in Europa stattgefunden“, erklärt Marc Tonteling, Stahlexperte bei der EIB. „Beispielsweise sind Autos heute viel weniger rostanfällig als in den 1990er-Jahren. Und bei Unfällen bieten sie deutlich mehr Sicherheit. Dank neuer Stahlsorten und vieler Innovationen.“

Gemeinsam unterstützen die Europäische Kommission und die EIB Forschung und Innovation für sauberen Stahl. Über Investitionsprogramme wie Horizont Europa flossen viele Milliarden Euro in die Forschung, um CO2-intensive Branchen wie die Stahl- und die Zementherstellung emissionsärmer zu machen. Regionen und Länder, die stark von Stahl, Kohle und Zement abhängig sind, werden über den Fonds für einen gerechten Übergang beim Aufbau einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft unterstützt.



Moderner Stahl für bessere Züge, Flugzeuge und Autos

Voestalpine stellte 2024 mit 240 Millionen Euro sein bisher größtes Forschungsbudget zur Entwicklung von Produkten für unterschiedlichste Unternehmen auf.

„Forschung und Entwicklung haben die Stahlprodukte in vielen Branchen erheblich verbessert, etwa im Automobilbau, bei der Bahn, in der Luft- und Raumfahrt oder auch im Energiesektor“, so Mayer von voestalpine. „Deshalb sind unsere Autos heute leichter, sicherer und kraftstoffsparender. Elektromotoren sind effizienter, Schienen melden ihren Wartungsbedarf in Echtzeit und Flugzeugkomponenten halten extremen Bedingungen stand.“

Voestalpine will seine Emissionen ab 2027 um bis zu 30 Prozent senken und setzt dazu auf mehr Lichtbogenöfen. Außerdem baut das Unternehmen ein ganzes Netz aus Solarmodulen auf.
Voestalpine

Nachhaltigkeit kostet Geld

Die Entwicklung nachhaltiger Produktionsprozesse kann die Stahlpreise kräftig nach oben treiben. Denn Unternehmen müssen Millionen Euro für Forschung, neue Ausrüstung und Weiterbildung ausgeben. Einer Schätzung zufolge könnte kohlenstoffarmer Stahl 25 Prozent teurer sein. In der Stahlforschung geht es deshalb heute hauptsächlich um neue Produkte, die weniger CO2 verursachen und nicht wesentlich teurer sind.

Der meiste grüne Stahl kann nicht mit kostengünstigem Stahl aus herkömmlichen Hochöfen konkurrieren. Trotzdem besteht Nachfrage. Branchen wie der Automobilsektor sind durchaus bereit, für ein nachhaltiges, hochwertiges Produkt mehr zu bezahlen. Und neue Vorschriften in der EU und anderen Regionen zwingen Unternehmen, mehr CO2-armen Stahl zu verwenden oder Zölle zu zahlen.

Für EIB-Stahlexperte Tonteling ist der Ausstieg aus der Stahlproduktion keine Option:

„Ohne Stahl läuft nichts. Das geht morgens im Bett los. Da ist Stahl drin. Und egal, wie Sie zur Arbeit fahren – mit dem Rad, dem Auto oder den Öffentlichen –, Stahl ist Ihr permanenter Begleiter. Den kann man einfach nicht ersetzen. Kein anderes Material hat die gleichen Eigenschaften und ist in diesen Mengen verfügbar – und relativ preiswert.“